Das «Pfarrblatt», das in einer Auflage von 55′000 Exemplaren gedruckte Medium der Berner Katholikinnen und Katholiken, hat die vor den Nationalratswahlen die grossen Parteien einem Check unterzogen. Bei den Fragen ging es unter anderem um die Themenkreise Kirche, Kirche und Staat, Solidarität, Gemeinwohl, Eigenverantwortung und Klimawandel. Die Antworten der verschiedenen Parteien sind jetzt im Online-Portal des «Pfarrblatts» veröffentlicht worden.
Für die CVP Kanton Bern hat Vizepräsident Synes Ernst die Antworten verfasst. Wir publizieren sie hier im Wortlaut:
Was ist für die CVP eine gerechte Gesellschaft?
Das ist eine Gesellschaft, in der jeder Mensch unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Alter in Würde und Freiheit leben kann. Voraussetzungen für eine solche Gesellschaft sind eine gerechte Verteilung der Güter sowie gerechte Normen, welche das Zusammenleben regeln.
Sind für die CVP Werte wie Solidarität oder Gemeinwohl wichtig und wieso?
Diese Werte sind für die CVP zentral. Solidarität bedeutet, dass sowohl der Einzelne als auch der Staat ihre soziale Verantwortung gegenüber jenen wahrnehmen, die aufgrund ihrer Lebenssituation schwächer oder von Schicksalsschlägen betroffen sind. Zur Solidarität gehört für die CVP auch das Engagement für die Chancengleichheit.
Welchen Stellenwert hat für Ihre Partei die Eigenverantwortung, was verbindet die Partei mit diesem Begriff?
Der Appell an die Eigenverantwortung gehört zur DNA der CVP. Sie bildet zusammen mit dem Gebot der Solidarität den politischen Kompass der Partei. Die CVP ist gegen den schnellen Ruf nach staatlichen Lösungen, da ein freiheitliches Menschenbild gleichzeitig Aufforderung und Verantwortung beinhaltet, diese auch wahrzunehmen. Wo das nicht oder nicht mehr möglich ist, kommt der Staat zum Zug (Subsidiarität).
Die Bewahrung der Schöpfung oder die aktuelle Diskussion zum Klimawandel – inwiefern nehmen sie das ernst?
Als Partei, die das C in ihrem Namen trägt, nimmt die CVP die Bewahrung der Schöpfung ernst, auch wenn der Auftritt in der aktuellen Diskussion nicht sehr plakativ ist. Die CVP vertritt eine Umweltpolitik, die drei Kriterien erfüllt: Sie muss ökologisch, ökonomisch u n d sozial sein. Erst dann ist sie auch nachhaltig.
Trägt ihrer Meinung nach die katholische Kirche zum Zusammenhalt im Kanton Bern bei?
Ja. Das gilt aber nicht nur für die katholische Kirche. Die Kirchen vertreten Werte, die gemeinschaftsfördernd sind, wovon der Staat nur profitieren kann. Mit ihrem Engagement fördern die Kirchen den sozialen Ausgleich und leisten so einen wichtigen Beitrag zum sozialen Frieden. Schliesslich finden dank der Unterstützung durch die Kirchen Menschen mit Migrationshintergrund einen Platz in unserer Gesellschaft.
Ist es notwendig, dass sich die Schweizerische Eidgenossenschaft oder auch die Kantone mit den verschiedenen Religionsgemeinschaften auseinandersetzen und in den Dialog treten?
Ja. Ein Dialog dient einerseits dem besseren gegenseitigen Verständnis und zweitens der frühen Erkennung von fragwürdigen Entwicklungen, wie zum Beispiel von Parallelgesellschaften mit eigenem Recht.
Ist für die CVP die Schweiz eine christliche Gesellschaft?
Eine christlich-jüdisch geprägte Gesellschaft, die sich zunehmend säkularisiert.
Ist es für die CVP irgendwie von Bedeutung, dass die grossen christlichen Kirchen in der Gesellschaft an Stellenwert verlieren?
Ja. Erstens nimmt ihre Integrationskraft ab, die für die gesamte Gesellschaft von Bedeutung ist. Zweitens gehen mit der negativen Entwicklung sehr viel Wissen über Traditionen, Geschichte und Kultur verloren, was zu einer Verarmung unserer Gesellschaft führt. Eine dritte Folge dieses Prozesses ist schliesslich eine zunehmende geistige Orientierungslosigkeit, was angesichts der unsicheren Zukunft Tür und Tor öffnet für Heilslehren und -versprechen aller Art.
Wie steht die CVP grundsätzlich zu Sozialhilfe und zu Leistungen des Staates?
Im Sinne der Solidarität mit den Schwächeren ist die CVP für eine Sozialhilfe, welche die Betroffenen befähigt, am Leben der Gesellschaft teilzunehmen. Wo möglich, ist eine rasche Wiederintegration in den Arbeitsmarkt anzustreben. Missbräuche müssen wirksam bekämpft werden.
Dürfen sich die Kirchen in Abstimmungskämpfe direkt einschalten, Position beziehen?
Kirchen sollen sich zu Themen, die Gegenstand von Abstimmungen sind, äussern dürfen. Allerdings geht es nicht an, dass die Kirchen bzw. ihre Exponentinnen und Exponenten, ihre Meinung a priori als «die bessere» oder «die richtige» darstellen, neben der alles andere falsch ist.
Im Kanton Bern sind die Bindungen zwischen Kanton und den beiden grossen christlichen Kirchen immer noch sehr eng. Wie soll sich das in Zukunft entwickeln, sollen diese Bindungen weiter gelockert oder gar gekappt werden, sollen die Kirchensteuern weiterhin durch den Kanton eingezogen werden?
Nachdem das revidierte Kirchengesetz erst vor kurzem in Kraft getreten ist, sollte man jetzt abwarten und beobachten, wie sich die Veränderungen auswirken. Angesichts der sozialen und integrativen Leistungen, welche die Kirchen auch zum Wohle der Allgemeinheit und des Staates erbringen, ist die CVP der Meinung, dass die Kirchensteuer weiterhin durch den Kanton eingezogen wird.